Das Kind im deutschsprachigen Europa muss heute vor und nach der Geburt funktionieren. Die Pränataldiagnostik sorgt für eine vorgeburtliche Selektion, nachgeburtlich wird zwar im Widerspruch dazu – und ethisch allein richtig – die Inklusion gefordert, in der Realität aber hat das Kind auch dann zu funktionieren.

Mit Blick auf seine spätere Verwendung in der Wirtschaft kann das Kind nicht früh genug ‚Bildung‘ in der Tagesbetreuung und Kita bekommen, als wüssten Kinder, die dort ihre Jahre verbringen, nicht am Ende doch weniger als wir früher. Birgitta vom Lehn schreibt dazu in der WELT:

„Aber: Wie soll ein Kind denn beschaffen sein, wenn es überhaupt das Licht der Welt erblicken darf? Es hat heute ja schon im Mutterleib eine Vielzahl an Prüfungen zu durchlaufen. Stichwort Pränataldiagnostik. Dabei fahnde man heute aber nicht mehr nach Krankheiten, sondern nach Abweichungen von der Norm … Während wir nach der Geburt neuerdings ständig von Inklusion reden, geht es vor der Geburt nur noch um Selektion und Optimierung.“ (Birgitta vom Lehn. „Neulich im Zug“. WELT vom 30.11.2013; Webausgabe als „Es muss eben passen, das moderne Kind“)

„Es muss eben passen, dieses moderne Kind. Es muss sich schon von der Zeugung an bewährt haben. Es wird dann später von sich sagen können, der Embryo mit der besten Qualität, nämlich der Güteklasse A, gewesen zu sein, ausgestattet mit dem besten Genpool. Schließlich wird es funktionieren müssen, dieses Kind, es muss krippen- und ganztagsschulstauglich sein, weil beide Eltern arbeiten müssen. … Es muss sich durchsetzen können in Kita und Schule, im Leben generell, es soll auch hübsch sein; dann kommt man weiter.“

Im Leben vieler Eltern ist kein Platz mehr für nicht funktionierende Kinder. Da rät eine Topspezialistin für kindliche Früherziehung, Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München (siehe FAZ Sonntagszeitung vom 3.8.2014, „Krippe im ersten Lebensjahr? – Nein!“), Kinder ab 2 Jahren sofort aus einer Betreuung zu nehmen, wenn es dort emotional nicht zu Hause ist, und eine andere Betreuung zu finden. Sie schätzt, dass für zwei Drittel aller Kitas gilt (etwa fortwährend weint), dass wegen fehlender Qualität die emotionale Versorgung der Kinder nicht gewährleistet ist. Aber welche Eltern haben Zeit, ihr Kind erst einmal wieder nach Hause zu nehmen und nach einem besseren Platz zu suchen? Nein, die Kinder haben gefälligst zu funktionieren, und dass die Qualität der Kitas gehoben wird, mag noch ein paar Jahre dauern, was soll’s!

Lasst Kinder Kinder sein! Liebt Kinder wie sie sind. Messt sie nicht an irgendwelchen heimlichen Maßstäben, schon gar nicht an ihrem Nutzen in Zukunft. Messt Kinder auch nicht an Träumen, wie wir sie gerne gehabt hätten.

 

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