Christen und Baha’i werden in Ägypten zum Freiwild

Da haben wir den Salat! Weil man vorschnell von einer Demokratisierungswelle in der arabischen Welt sprach, obwohl die Arabellion nie auch nur einmal Religionsfreiheit für alle forderte und es ohne Religionsfreiheit keine echte Demokratie geben kann, beschäftigt sich die Welt kaum mit der sich anbahnenden Katastrophe in Ägypten. Zwei Meldungen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) zeigen, dass Christen und kleinere Gruppen wie die Baha’i oder auch Atheisten zum Freiwild werden, für den Mob, der nicht gehindert wird, ebenso wie für Fatwas von Religionsführern und staatliches Vorgehen. Die IGFM stellt fast täglich neue solcher Schreckensnachrichten ins Web.

Arabische Republik Ägypten

Gewaltausbruch gegen Christen

Angriff auf Kirche, Plünderungen von Häuser und Geschäften
IGFM fordert Aufklärung und Rechenschaft

Marashda / Frankfurt am Main (23. Januar 2013) – Gewaltsame Ausschreitungen in der überwiegend von Christen bewohnten oberägyptischen Ortschaft Marashda sorgen bei der koptischen Minderheit Ägyptens für Bestürzung und Verzweiflung. Ein Mob aus über 2.000 Muslimen wütete am vergangenen Freitag und Samstag, plünderte, zerstörte und brandschatzte Häuser, Geschäfte und zahlreiche Autos. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, wurden auch die Scheiben einer örtlichen Kirche eingeschlagen und das Kreuz beschädigt.

Die IGFM lobte, die mäßigenden Aufrufe eines örtlichen Imams und das schnelle Einschreiten der Polizei. Gleichzeitig forderte die IGFM strafrechtliche Verfahren gegen die Gewalttäter. Die Behörden dürften nach dem Ende der Plünderungen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Ausschreitung gegen Kopten nach angeblichem Kindesmissbrauch
Hintergrund für die Gewalt waren unbestätigte Gerüchte, ein 55-jähriger Kopte hätte ein 6-jähriges muslimisches Mädchen missbraucht. Nachdem der Beschuldigte sich – laut Aussage ägyptischer Kopten zu seiner eigenen Sicherheit – der Polizei gestellt hatte, griff der Mob die örtliche Polizeistation an. Die Polizisten waren gezwungen, Verstärkung anzufordern und verhafteten insgesamt mindestens zehn muslimische Gewalttäter, von denen einige versucht hatten, eine Kirche niederzubrennen.

„Keine Straflosigkeit für Übergriffe auf Kopten!“
IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin fordert: „Die Ermittlungen gegen den 55-jährigen Kopten laufen. Es müssen aber auch Ermittlungen gegen diejenigen eingeleitet werden, die über zwei Tage Häuser, Geschäfte und Autos zerstört und die Christen des Ortes in Angst und Schrecken versetzt haben. Der ägyptische Staat muss deutlich machen: Christen und Muslime haben den gleichen Anspruch auf staatlichen Schutz. Es darf keine Straflosigkeit bei Gewalt gegen Minderheiten geben!“

Bahá’í sollen keine staatlichen Schulen mehr besuchen dürfen

IGFM appelliert an Bundesregierung, vor Staatsbesuch auf Präsident Mursi einzuwirken
–  weiterer Schritt in den Scharia-Staat

Kairo/Frankfurt am Main (8. Januar 2013) – Ägyptens Bildungsminister Ibrahim Ghoneim erklärte am vergangenen Samstag gegenüber der staatlichen Tageszeitung Al-Akhbar, dass es Angehörigen der Bahá’í-Religion nach der ägyptischen Verfassung nicht gestattet sei, sich an staatlichen Schulen einzuschreiben. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sieht darin ihre Sorge bestätigt, dass Ägypten in eine Diktatur unter islamischen Vorzeichen abgleitet. Die in Frankfurt ansässige IGFM appelliert an die Bundesregierung, ihren Einfluss zu nutzen und noch vor dem geplanten Staatsbesuch von Präsident Mursi Ende Januar auf die ägyptische Regierung einzuwirken.

Bildungsminister Ghoneim ist formell parteiunabhängig, steht aber Präsident Mursi nahe. Wie die IGFM berichtet, habe der Minister den Ausschluss der Bahá’í-Minderheit von staatlicher Bildung damit gerechtfertigt, dass die ägyptische Verfassung nur die drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam anerkenne. Angehörige anderer Religionen erfüllten daher nicht die Voraussetzungen für den Besuch einer staatlichen Schule. Nach Angaben der IGFM seien in Ägypten de facto alle Religionen außer Islam, Christentum und Judentum verboten, ebenso Religionslosigkeit.

Bahá’í in Ägypten: Verboten, ausgegrenzt, verfolgt
Die  Bahá’í-Religion hat ihren Ursprung im schiitischen Islam im Iran des 19. Jahrhunderts. Sie lehnt jedoch die Scharia ab und propagiert Gleichberechtigung und Gewaltlosigkeit. In Ägypten leben  Bahá’í seit 1864. Nach Angaben der IGFM wurden die ägyptischen Bahá’í-Gemeinden am 19. Juli 1960 durch den damaligen Präsidenten Gamal Abdel Nasser verboten, aufgelöst und ihr Besitz eingezogen. Das entsprechende Präsidialdekret werde noch heute angewandt. Die Behörden verweigerten Bahá’í über Jahrzehnte Geburtsurkunden und Personalpapiere, ohne die ein legales Leben in Ägypten beinahe unmöglich ist. Der Druck, zum Islam überzutreten, ist nach Erfahrungen der IGFM enorm, die Bahá’í Gemeinde sei daher auf nur noch 500 bis 2.000 Personen zusammengeschrumpft.

Jüdische Gemeinde: erloschen
Die IGFM erinnert daran, dass auch die mehrere Tausend Jahre in Ägypten lebende, früher große und kulturell bedeutende jüdische Gemeinde faktisch erloschen ist. Durch den immensen Druck von Behörden und Islamisten lebten heute in Ägypten weniger als zehn Juden – alle von ihnen ältere Menschen.

Gewalttätige Übergriffe gegen  Bahá’í
Die Bahá’í in Ägypten bemühen sich, so unauffällig wie möglich zu leben. Dennoch kommt es nach Berichten der IGFM immer wieder zu verbalen und körperlichen Angriffen. Im Februar des vergangenen Jahres erklärte der prominente Salafist Abdel Moneim al-Shahat sogar, dass die Bahá’í eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellten und verfolgt werden müssten. Den bisherigen Tiefpunkt markierte nach Einschätzung der IGFM ein Pogrom gegen die  Bahá’í des Ortes Shuraniya im Gouvernement Sohag in Oberägypten, rund 50 km südlich von Asyut. Die Häuser der Bahá’í wurden umstellt, geplündert und schließlich niedergebrannt. Die Ausschreitungen dauerten vom 28. bis zum 31. März 2009. Nach den tagelangen Demütigungen und Misshandlungen flohen die Bahá’í in die Anonymität Kairos.

 

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