Festrede von Thomas Schirrmacher zum 25. Geburtstag der Freien Evangelischen Schule Stuttgart

Thomas Schirrmacher während seiner Festrede in der Aula der Freien evangelischen Schule Stuttgart. In der ersten Reihe von rechts: 2.v.r. Vorsitzender Kellermann, 4.v.r. Staatssekretärin von Wartenberg, 6.v.r. Bürgermeisterin Eisenmann.

Thomas Schirrmacher während seiner Festrede in der Aula der Freien evangelischen Schule Stuttgart. In der ersten Reihe von rechts: 2.v.r. Vorsitzender Kellermann, 4.v.r. Staatssekretärin von Wartenberg, 6.v.r. Bürgermeisterin Eisenmann.

(Bonn, 25.01.2016) Die Freie Evangelische Schule Stuttgart (FES) feiert ihr 25-jähriges Bestehen. Den Auftakt des Jubiläumsjahrs bildete ein Festakt am Freitag in der Aula der Schule auf den Hengstäckern. „In den Anfangsjahren haben wir uns nicht vorstellen können, dass die FES einmal so groß wird“, sagte Carmen Behling, die Leiterin des Schulverbundes. Im Herbst 1991 startete die erste Klasse mit 15 Schülern in einem Raum des CVJM-Heims an der Leinenweberstraße. Die Schule wuchs schnell. Inzwischen gibt es einen Haupt- und Realschulzweig und ein berufliches Gymnasium. 2007 zog die FES an ihren jetzigen Standort neben dem Sonderschulzentrum.

Die christliche Schule möchte ihre Schüler befähigen, sich mit der Welt auseinanderzusetzen, sagte Gerhard Ellermann, der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins der FES. „Gemäß unserem Motto: weil Kinder Mut für morgen brauchen“, so Ellermann. Die christliche Orientierung sei ein wichtiger Bestandteil, dennoch müssen die Schüler nicht religiös sein. „Eine christliche Schule wäre nicht christlich, wenn sie ihre Kinder zum Christentum zwingt“, sagte Thomas Schirrmacher, der unter anderem Präsident des Internationalen Rates der International Society for Human Rights und Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz ist. Noch das ganze Jahr über wird die FES ihr Jubiläum mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen feiern.

Schüler der FES bei einer Theaterszene.

Schüler der FES bei einer Theaterszene.

Das Programm war gespickt mit einem Theaterstück der Grundschüler, Musikstücken der Lehrerband, der Schülerband und eines Jubiläumschors und zudem Grußworten öffentlicher Vertreter. Die im baden-württembergischen Kultusministerium unter anderem für Privatschulen zuständige Staatssekretärin Marion von Wartenberg lobte die Schule dafür, wieviele Anregungen sie beim Aufbau des neuesten Zweiges, des beruflichen Gymnasiums aufgenommen habe. Die Bürgermeisterin für Kultur, Schule und Sport der Landeshauptstadt Stuttgart, Dr. Susanne Eisenmann, lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Stadt, die FES erfülle offensichtlich aus der Sicht vieler Stuttgarter Eltern eine wichtige Aufgabe. Eckhard Geier, Geschäftsführer des Evangelischen Schulwerks und Vertreter des Oberkirchenrates der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, überbrachte die Glückwünsche der Kirche.

Die Festrede „Vom Wert christlicher Schulen für die demokratische Gesellschaft“ hielt der Soziologe und Theologe Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher. Schirrmacher ist weltweit als Präsident der IGFM, Botschafter für Menschenrechte und Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit in Sachen Menschenrechte unterwegs und vertritt als Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz etwa 600 Mio. evangelische Christen in ökumenischen Gesprächen.

„So wie die christliche Schulbewegung August Hermann Franckes im 18. Jahrhundert langfristig das staatliche Schulsystem mit Realschule und dualer Ausbildung bereichert hat, will unsere Verfassung auch heute, dass Privatschulen experimentieren und Vorreiterfunktion übernehmen, um Erfolgreiches dann der ganzen Gesellschaft zugutekommen zu lassen.“

BQ396_3Das gute Verhältnis der Freien Evangelischen Schule in Stuttgart zum Kultusministerium und zur Stadt Stuttgart belege, dass Staat und christliche Privatschule sich bis heute sinnvoll ergänzen und gegenseitig befruchten können.

In seiner Festrede beschrieb er das Spannungsfeld des christlichen Erziehungsauftrags. Der christliche Glaube sehe den Menschen am „positivsten und am negativsten zugleich“. Positiv durch den Wert und die Menschenwürde, die Gott jedem Menschen zuschreibe, als „Ebenbild seiner selbst“, aber auf der anderen Seite auch negativ als Menschen, die aufgrund der Sünde nicht mehr ihrer ursprünglichen Bestimmung entsprechend lebten und deswegen Erziehung vom Bösen weg bräuchten, was angemessene Grenzsetzung ebenso einschließe, wie Hilfe zum Einordnen und gnädige Seelsorge.

„Den Menschen, der für alle ein Segen ist, gibt es nicht. Bildung und Erziehung haben auch immer mit dem Hang des Menschen zu Korruption zu tun. Aber eine christliche Erziehung lebt von Komplementarität. Wir brauchen Kompetenz und Flexibilität nebeneinander, die Fähigkeit zu begrenzen und auf jeden Einzelnen einzugehen, die Fähigkeit zu garantieren, dass jeder mitkommt, und Potenzial herauszukitzeln.“

Christliche Schule baue auf einer durchgängigen Komplementarität auf:

„Gesetz und Gnade, Ermutigung und Begrenzung, Selbstständigkeit und Führung, Individualität und Integrationsfähigkeit gehören zusammen. Wer nur die ‚positive‘ Seite als Programm der Erziehung sieht, wird auch in der Schule irgendwann brutal vom Bösen überrollt, wer nur die ‚negative‘ Seite sieht, erklärt Erziehung und auch Strafe zum Selbstzweck und verliert das Ziel des Selbstständigwerdens und der Freiheit aus den Augen.“

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