Von Thomas Schirrmacher, Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit

Zu: Stellungnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, zur Situation von Christen und religiösen Minderheiten in Asylbewerberunterkünften.

Die Stellungnahme zeigt meines Erachtens folgende positiven Linien der beiden höchsten Repräsentanten der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland:

1. Sie nehmen das Problem sehr ernst und sprechen sich dagegen aus, Einzelfälle „zu bagatellisieren“, nur weil sie möglicherweise selten vorkommen. Das Ideal des friedlichen Zusammenlebens darf für sie nicht zum Preis von Übergriffen erreicht werden! Deswegen kann, wenn das Ideal nicht erreichbar ist, „eine getrennte Unterbringung eine sinnvolle Lösung sein“.

Das ist ein deutliches Wort in Richtung mancher Politiker, denen das Prinzip wichtiger ist als das Einzelschicksal. In Deutschland werden aber zunächst einmal die Menschenrechte des Einzelnen geschützt, nicht zuerst hehre Prinzipien.

2. Sie sind nicht einseitig, sondern offen für negative Ergebnisse, wenn die Zahlen/Berichte zeigen, dass bestimmte Situationen „nicht selten“ vorkommen. Sie heben sich damit wohltuend von der emotionalen Debatte pro und contra ab und wollen die Fakten sprechen lassen.

2.1. Das beweist auch der Satz:

„In einer speziellen Situation befinden sich Asylbewerber, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. Hier wird vergleichsweise häufig von körperlichen Übergriffen und der Schmähung religiöser Symbole bis hin zu Morddrohungen berichtet.“

Ich denke, dass auf dieses Problem ein besonderes Augenmerk zu werfen ist. Das Verlassen des Islam und der Übertritt zum Christentum, aber auch etwa zu den Bahai, ist in der islamischen Welt eigentlich immer noch mit dem Tode zu bestrafen, auch wenn es sich oft de facto eher um einen sozialen Tod handelt. Da dies selbst für viele muslimische Familien gilt, die im Westen leben, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass dieses Problem ausgerechnet in Asylunterkünften nicht auftreten würde.

2.2. Das beweist auch die Aussage, dass Probleme „vergleichsweise häufig“ vorkommen, „wenn Angehörige unterschiedlicher Religionen in einem gemeinsamen Zimmer untergebracht werden“.

3. Sie stellen sehr gute Forderungen („4.“, S. 5-6), die einen erheblichen Teil der Probleme beenden würden:

  • „Ein professionelles Konflikt- und Beschwerdemanagement“. (Davon kann vielerorts längst noch nicht die Rede sein.)
  • Zimmerbelegung nicht nach Fließband, sondern „kultursensibel“. Zudem muss es „Rückzugsmöglichkeiten“ für jeden geben. (Auch hier fehlt teilweise noch das Bewusstsein, dass man nicht jeden mit jedem in ein Zimmer legen kann.)
  • Sorgfältige Auswahl des Personals für alle (!) Tätigkeiten rund um die Unterbringung von Flüchtlingen.
  • Es muss verhindert werden, dass bei Sicherheitskräften und Dolmetschern/Übersetzern „ihr weltanschaulicher Hintergrund nicht zur Diskriminierung von religiösen Minderheiten beiträgt“. Ich füge hinzu, sei es durch absichtlichen Missbrauch ihrer Funktion, sei es unabsichtlich durch Voraussetzen der eigenen Kultur als Norm.

Die meisten Zählungen/Untersuchungen laufen derzeit noch, leider auch in den Landeskirchen nach ganz unterschiedlichen Formaten. Die Umfrage für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Württemberg unter Heimleitern wurde auf der Synode an dem Tag vorgestellt, als ich dort sprach, so dass ich in einem zusätzlichen Workshop dazu einen Beitrag geben konnte. Für Bayern ist die Zählung noch im Gange, auch wenn Kardinal Marx und Bedford-Strohm sicher für ihre Stellungnahmen schon erste Tendenzen erläutert bekommen haben dürften.

 

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